Hanseatische Kontinuität
Das Hamburger Unternehmen HBB setzt auf ein enges Zusammenspiel von Investor, Projektentwickler und Betreiber. Dabei steht die kontinuierliche Entwicklung des Portfolios im Mittelpunkt und nicht das schnelle Wachstum. Die aktuelle Diskussion um ESG-Kriterien und Nachhaltigkeit scheint dieses Vorgehen zu bestätigen.
Die Wachstumsstrategie der Hanseatischen Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft HBB ist langfristig orientiert. In den vergangenen 20 Jahren hat das Hamburger Immobilien Unternehmen in Deutschland 45 Pflegeeinrichtungen mit rund 7.200 Betten gebaut, die meisten davon in Norddeutschland und in Berlin. Alle Häuser wurden von der HBB finanziert und entwickelt. Außerdem sind alle Immobilien nach der Fertigstellung im Eigentum des Unternehmens oder der Gesellschafter geblieben. Aktuell befinden sich sechs weitere Häuser im Bau, der Vergabeverhandlung oder im Baugenehmigungsverfahren.
Ein weiterer zentraler Baustein des HBB-Konzepts ist die enge Zusammenarbeit mit dem Betreiber-Partner Domicil Seniorenresidenzen SE, an den alle Häuser langfristig vermietet sind. Ohnehin scheint Langfristigkeit das entscheidende Stichwort zu sein, das in der Strategie der HBB eine zentrale Rolle spielt. Das gilt von der Standtortentwicklung (siehe Interview) über den Bau der Immobilien bis hin zum Betrieb. „Wir waschen beispielsweise unsere Wäsche in den Häusern und kochen täglich alle Mahlzeiten vor Ort“, erläutert HBB Geschäftsführer Oliver Radünz. Beides biete nicht nur Bewohnerinnen und Bewohnern einen Mehrwert, sondern zahle auch im Hinblick auf nachhaltige Bewirtschaftung auf wichtige Qualitätskriterien ein. „Es reduziert erheblich den Anlieferverkehr und vermeidet, dass unsere Wäsche durch halb Europa gefahren wird.“
Vor dem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich die HBB auch durch die Einführung der ESG-Kriterien durch die EU und die Diskussion um Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft eher bestätigt fühlt. „Da alle Objekte im Eigentum behalten werden sollen, legen wir grundsätzlich auf Dauerhaftigkeit großen Wert“, versichert Radünz. Bislang habe HBB in der Pflege im KfW 55-Standard gebaut, bei neuen Projekten werde man wohl regelmäßig KfW 40 EE anstreben
„Insgesamt versuchen wir, lebenswerte nachhaltige Immobilien am richtigen Standort zu schaffen“, sagt Radünz. Dazu gehöre auch, dass selbst auf innerstädtischen Grundstücken eine von Landschaftsarchitekten geplante Garten- und Parkanlage mit hochwertigem Baumbestand geschaffen und möglichst wenige versiegelte Flächen und Stellplätze errichtet werden. Radünz: „Diese grüne Oase war schon immer Teil unseres Konzeptes. Unsere Gärten sollen ein Erleben der Jahreszeiten ermöglichen und einen ökologischen Mehrwert schaffen.“
„Bei 98 Prozent sagen wir ab“
Im Interview mit CARE Invest sprach HBB Geschäftsführer Oliver Radünz über Qualitätskriterien bei der Standortauswahl, neue Betreiberkonzepte und die Folgen der Coronakrise für die Projektentwicklung. HBB ist Investor, Projektentwickler, Bestandshalter und hat mit Domicil einen festen Betreiber-Partner. Haben Sie schon einmal überlegt, von dieser strengen Linie abzuweichen?
Oliver Radünz: Im Prinzip schon. Unser Hauptfokus ist zwar, als Investor tätig zu sein. Jedoch gibt es auch erste besondere Standorte, wo wir als Dienstleister und Berater für Investoren arbeiten mit dem Ziel, dass Domicil die Objekte anmietet. Da wir sehr harte Anforderungen an die Standorte und die Qualität der Einrichtungen haben und bewusst nicht in allen Bundesländern investieren, könnte eine ergänzende Option für die Zukunft auch sein, für andere Betreiber oder Investoren als Dienstleister ergänzend zu unserem Kerngeschäft aufzutreten, aber das ist im Moment nicht der Hauptfokus unserer Strategie.
Und wie wäre es mit einer zweiten Betreiber-Marke für ein anderes Markt-Segment?
Das pflegerische Angebot von Domicil und auch unsere Ausrichtung als Investor zielt darauf ab, ein wohnortnahes pflegerisches Angebot für alle Bürgerinnen und Bürger einer Stadt zu bieten. Im Hinblick auf die Immobilie bemühen wir uns, eine bauliche und architektonische Qualität zu schaffen, die im Premiumsegment liegt. Gleiches gilt für die Standorte: Wir bauen „mitten im Leben“, vorrangig in Großstädten und dort in zentraler und integrierter Lage. Standorte, die unseren harten Kriterien nicht genügen, sagen wir konsequent ab – und das sind 98 Prozent aller Grundstücksangebote. Wir haben zwar durchaus den Gedanken, auch kleinere Häuser mit einem anderen Konzept zu realisieren. Angesichts unserer umfangreichen bisherigen Tätigkeit haben wir den Gedanken aber bislang nicht vertieft.
Welches Wachstumsziel haben Sie sich für die nächsten zwölf Monate gesteckt?
Als Investor denken wir sehr langfristig und sind lieber „krüsch“ mit den Standorten, wie man in Hamburg sagt. Also sehr wählerisch. Manche Projekte haben wir von der ersten Idee bis zur Übergabe in vier bis fünf Jahren realisiert, andere brauchen länger. Das Haus in Berlin-Zehlendorf in der Nähe des Mexikoplatzes, das wir Ende letzten Jahres übergeben haben, hat 15 Jahre gebraucht. Im Schnitt stellen wir drei Häuser pro Jahr fertig. Wegen der hohen Standort- und Qualitätsanforderungen sind wir also eher ein Langstreckenläufer mit guter Kondition.
Könnten Sie sich vorstellen, bestehende Einrichtungen zu übernehmen und zu sanieren?
Nein. Wir haben klare Vorstellungen im Hinblick auf bauliche und technische Ausstattung, ökologische Kriterien und Funktionsabläufe, weil wir für unsere Bewohnerinnen und Bewohner eine überdurchschnittliche Wohnqualität schaffen wollen. Auch die Nachhaltigkeit spielt eine Rolle. Wir möchten, dass unsere Gebäude den vielfältigsten Anforderungen der Zukunft genügen. Dazu muss man sich bereits vor Beginn der Planung darüber Gedanken macht.
Was muss ein geeigneter Standort bieten?
In der Regel ein Einzugsgebiet von 70.000 bis 100.000 Einwohnern und eine zentrale Lage im Zentrum oder den Stadtteilen. Wir haben allein in Berlin in den letzten Jahren 16 Pflegeheime errichtet, alle mitten in den Bezirken. Auf dem Kiez, würde der Berliner sagen. Wir möchten, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner am täglichen Leben einer Stadt teilnehmen. Man könnte sagen: Wir suchen die Baulücke zwischen Stadtpark und Marktplatz. Aber solche Baulücken sind rar.
Wie finden Sie die „richtigen“ Grundstücke?
Durch Ausdauer, Markt- und sehr gute Ortskenntnis. Ergänzend – aber eben auch nur ergänzend – durch Standortanalysen. Außerdem machen wir manchmal Dinge, die für andere nicht in Frage kommen. Für unser Haus in Frankfurt-Rödelheim, das im vergangenen Jahr fertiggestellt wurde, mussten wir auf dem Grundstück erst einen alten Hochbunker aus bis zu 2,50 Meter dickem Stahlbeton abreißen. Das hat in einer Innenstadtlage meines Wissens in Deutschland auch noch keiner gemacht, aber darum konnten wir das Grundstück bekommen. In solchen Momenten hilft unsere Unternehmensstruktur: Wir sind ein hanseatisches Familienunternehmen im Eigentum einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Das ermöglicht klare und schnelle Entscheidungen.
Der Fachkräftemangel stellt Investoren wie Betreiber gleichermaßen vor Herausforderungen. Wie gehen Sie mit dem Thema um?
Wir planen unsere Einrichtungen so, dass die Gebäude für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege und im hauswirtschaftlichen Bereich durch kurze Wege und moderne technische Infrastruktur eine Erleichterung ihrer anspruchsvollen Arbeit bieten, attraktive Arbeitsplätze sind. Und das ist, wie gesagt, bei Neubauten einfacher als beispielsweise bei einer Bestandssanierung. Darüber hinaus erschließen wir in Absprache mit unserem Partner Domicil immer gezielt bestimmte Regionen wie in Norddeutschland oder Berlin. Diese Clusterbildung mit zehn oder mehr Häusern erleichtert nicht nur die Personalfindung oder Ausbildung, sondern verbessert auch das Angebot an Karriere-Chancen.
Wie beeinflusst die Coronakrise Ihre Projekte?
Im Hinblick auf die Bautätigkeit sind bislang alle Bauvorhaben ohne Mehrkosten fertiggestellt worden. Aber bei der Grundstücksbeschaffung befindet sich tatsächlich vieles im Umbruch. Dazu gehören beispielsweise die Diskussionen darüber, wie die Stadt der Zukunft in ihrem Nutzungsmix aussehen wird. Wir kommunizieren bereits seit 20 Jahren, dass Städte wohn- und lebenswert für alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten sein sollten. Insofern verspüren wir jetzt eine größere Offenheit und zugegebenermaßen auch eine etwas veränderte Grundstücksnachfrage, die für Sozialimmobilien hilfreich sein kann.
Brauchen wir denn auch in 20 Jahren noch Pflegeheime klassischer Prägung?
Ja, unbedingt. Angesichts des demographischen Wandels und einer zunehmenden Nachfrage nach einem Angebot für demenzielle Betreuung werden wir auch in Zukunft Pflegeheime benötigen. Weitaus mehr als heute bestehen. Aber wir brauchen auch das richtige Haus in der richtigen Größe am richtigen Standort mit einem langfristigen Konzept im Hinblick auf Immobilie und Betrieb.
Quelle: „CARE Invest 3-2022″